Die Entnazifizierung
Nach der Niederringung des
nationalsozialistischen Terrorregimes war für die alliierten
Siegermächte ebenso wie für Österreich die
Entnazifizierung - also die Säuberung von NationalsozialistInnen -
eine der wesentlichsten Hauptaufgaben. In Saalfelden wurden insgesamt
627 Personen (466 Männer und 161 Frauen) als ehemalige
NationalsozialistInnen registriert. Der prozentuelle Anteil der
NationalsozialistInnen an der Saalfeldener Gesamtbevölkerung
lässt sich jedoch nicht mehr vollständig nachvollziehen:
Für das Jahr 1945 liegen keine exakten EinwohnerInnenzahlen
für Saalfelden vor. Volkszählungen wurden lediglich in den
Jahren 1939 (7.018 EinwohnerInnen) und 1951 (8.315 EinwohnerInnen)
durchgeführt. Je nachdem, auf welche EinwohnerInnenzahl man sich
hier beziehen möchte, waren zwischen 7,5 und 8,9 Prozent der
damaligen Gesamtbevölkerung eingetragene NationalsozialistInnen.
Im Jahr 1945 unterlag der
Entnazifizierungsprozess den Alliierten. Unmittelbare Ansprechpartner
vor Ort waren in der Gemeinde Saalfelden die Mitglieder des sogenannten
"Politischen Sechserausschusses", der sich aus jeweils zwei
Vertretern der Volkspartei (ÖVP), der Sozialistischen Partei
(SPÖ) sowie der Kommunistischen Partei (KPÖ) zusammensetzte.
Die Alliierten übertrugen zu Beginn des Jahres 1946 die
Durchführung der Entnazifizierung auf die österreichische
Bundesregierung - als Grundlage dafür diente das Verbotsgesetz.
Nun waren ehemalige NationalsozialistInnen verpflichtet, sich
selbstverantwortlich zu registrieren. Auf Basis dieser Maßnahme
legten die Gemeinden Listen an, die in den Kommunen selbst sowie in
Bezirksbehörden, im Innenministerium und bei Arbeitgebern und
Gewerkschaften auflagen. In Saalfelden wurde eine solche Meldestelle
für ehemalige NationalsozialistInnen im Frühsommer 1946
eingerichtet.
Die Entnazifizierung wurde mit der
Einführung der Meldestelle nach bürokratischen, formalen
Kriterien durchgeführt. Dies erwies sich jedoch insofern als
problematisch, da aufgrund der bürokratischen Ausrichtung der
Verfahren oft die notwendigen Individualbehandlungen zu kurz kamen1. Dadurch konnte
es einerseits nicht zu jener politischen, kulturellen und ideologischen
Umerziehung der Gesellschaft gelangen, die notwendig gewesen wäre.
Andererseits befanden sich dadurch Saalfeldens Kommunalpolitiker in
einem "moralischen Dilemma": Vor allem Bürgermeister
Rohrmoser musste in seiner Funktion als "erste
Anlaufstelle" Probleme, Beschwerden und Interventionen der
registrierten GemeindebürgerInnen behandeln.
Eine strenge Durchführung der
Entnazifizierung stand somit in einem ständigen Widerstreit mit
persönlichen Interessen, die man durch Interventionen beim
Bürgermeister oder beim "Sechserausschuss" durchzusetzen
erhoffte. Zudem vertrat die Bevölkerung die Meinung, dass alle
Kraft in den Wiederaufbau und die Versorgung der Allgemeinheit gesteckt
werden sollte, und die Entnazifizierung als zweitrangiges Problem zu
behandeln sei. Dieser ständige Widerstreit macht sichtbar, warum
die Entnazifizierung nicht konsequent durchgeführt werden konnte
und letztendlich scheiterte.