Der Bahnhof von Saalfelden (Bahnhofstraße 71) ist nicht nur als Verkehrsknotenpunkt von Bedeutung, sondern bietet auch aus zeitgeschichtlicher Perspektive zahlreiche erwähnenswerte Anhaltspunkte.
Querverweise:
Am 31. Juli 1875 wurde die Salzburg-Tiroler-Bahn eröffnet, Saalfelden war eingleisig ans Schienennetz angebunden. Die Verlegung des zweiten Gleises zwischen Salzburg und Wörgl sollte noch andauern und in den Jahren 1913 bis 1915 erfolgen. Die Bahn war zunächst als Giselabahn ein Begriff, benannt nach der ältesten Tochter von Kaiser Franz Joseph. 1884 wurde das Schienennetz in den Staatsbesitz überführt. [1]
Der Ausbau der Eisenbahn brachte in ländliche Regionen massive Veränderung mit sich – politisch, sozial und kulturell. Neue Arbeitsplätze im Fahrdienst oder in der Bahnerhaltung ermöglichten neue berufliche Perspektiven und waren eng mit der Arbeiter:innenbewegung verbunden. Karl Reinthaler, ehemaliger Bürgermeister von Saalfelden, schilderte dies folgendermaßen:
„Und in diesem aus der Landwirtschaft stammenden Kreis habe ich immer wieder die Beobachtung gemacht, dass das die treuesten Anhänger waren, die nämlich aus dem Nichts als Person, als eine Null in der Landwirtschaft, plötzlich zu einem angesehenen Eisenbahner, zu einem Beamten, geworden sind. Und das hat einen ungeheuren sozialen Aufstieg für diese Menschen bedeutet, und da war eben die sozialdemokratische Bewegung ihre Heimat.“ [2]
Karl Reinthaler wuchs selbst als Sohn eines Eisenbahners auf und folgte seinem Vater auch in dessen berufliche Fußstapfen, bis er Mitte der 1930er Jahre nach Saalfelden versetzt wurde. Als „Roter“ stand er bereits im Austrofaschismus unter Beobachtung, im Nationalsozialismus wurde er verhaftet und zu sechs Jahren Zuchthaus und Ehrverlust (= Verlust aller bürgerlichen Rechte) verurteilt. Bereits früh galt er der Gestapo als verdächtig, etwa als er beobachtet wurde, wie er in der Saalfeldener Bahnhofsrestauration aus Protest zu Essen aufhörte, wenn die „Hitler-Reden“ im Radio liefen.
Weiterführende Literatur:
- Webseite | Dagegenhalten.at
- Biografie | Karl Reinthaler. Dagegenhalten. Eine Lebensgeschichte zwischen Brüchen und Kontinuitäten in der Provinz.
Titelfoto: Alexander Neunherz Text: Alexander Neunherz Quellen: [1] Zwanowetz, Georg (1992). Zur Geschichte des Bahnhofs Saalfelden, der Strecke Zell am See – Kitzbühel und des Bahnprojektes Saalfelden – Lofer – Reichenhall – Salzburg, in: Marktgemeinde Saalfelden (Hg.): Chronik Saalfelden, Band 1, Saalfelden, Seite 291ff. [2] Thaler, Walter (1999). Stark betroffen. Wenig beachtet. Sozialdemokratie in Salzburger Gemeinden. Gespräche mit Salzburger Bürgermeistern, Salzburg, S. 175ff.